Eurovision Songcontest 2026: Olympia- vs. Stadthalle – ESC-Austragung trotz Geheimhaltungspflicht und klammer Kassen?

  • Eurovision Songcontest 2026: Olympia- vs. Stadthalle – ESC-Austragung trotz Geheimhaltungspflicht und klammer Kassen?

    gruener (Luddit), 12.08.2025 19:33
    #1

    Ein weiterer Auszug aus dem Medien-Blog Sendestoerung:

    -------------

    Eurovision Songcontest 2026: Olympia- vs. Stadthalle – ESC-Austragung trotz Geheimhaltungspflicht und klammer Kassen?

    MITTE AUGUST ENTSCHEIDET SICH, IN WELCHEM ÖSTERREICHISCHEN BUNDESLAND DER KOMMENDE EUROVISION SONGCONTEST AUSGETRAGEN WIRD. DAS BEWERBERFELD IST MITTLERWEILE AUF ZWEI STÄDTE GESCHRUMPFT: WIEN UND INNSBRUCK. ABER NICHT ALLE SIND BEGEISTERT OB DER AUSSICHT, HOST-CITY 2026 ZU WERDEN.

    Bei 29 Millionen platzte Elke Kahr – so darf angenommen werden – Ende Juni der Kragen. Die Stadt Graz, die nach dem fürchterlichen Schulmassaker vom 10. Juni wieder positiv auf sich aufmerksam machen wollte, stieg aus dem Rennen um den ESC 2026 aus. 29 Millionen Euro waren der kommunistischen Bürgermeisterin (KPÖ) zu viel des Guten: „Eine Bewerbung im nun bekannten Kostenrahmen ist für Graz nicht vertretbar, so sehr ich alle verstehe, die den ESC gerne in unserer Stadt gehabt hätten.“ In Anbetracht der angespannten finanziellen Lage der Stadt, die auch eine Budgetsperre notwendig machte, erklärte die steirische Kommune in einer Presseaussendung, war von Anfang an klar, dass eine Bewerbung nur erfolgen kann, wenn die Kosten für Graz in einem vertretbaren Rahmen bleiben. </a>Kahr weiter: „Eine seriöse Bewerbung wäre nur mit der finanziellen Beteiligung von Bund und Land möglich gewesen, um die bis zuletzt Gespräche stattgefunden haben – leider ohne positives Ergebnis.“

    Zudem stand – und steht – wohl zu befürchten, dass auch dieser Betrag nicht ausreichen könnte, um die musikalische Großveranstaltung durchzuführen. Derselbe Event hatte diesjährig in Basel immerhin knapp 60 Millionen verschlungen.

    Ganz anders Wien: Dort beschloss der Gemeinderat ebenfalls Ende Juni, sich offiziell als Austragungsort zu bewerben. Bereits 2015 wurde der Songcontest in der Wiener Stadthalle ausgetragen, nachdem ein Jahr zuvor Conchita Wurst selbigen gewonnen hatte.

    Sogar die Wirtschaftskammer war begeistert: „Wir haben professionelle Teams, eine ausgereifte Logistik und mit der Stadtha lle eine Top-Location – plus viele andere Orte für Side-Events“, so deren Präsident Walter Ruck.

    Geld scheint in Wien nicht so die große Rolle zu spielen.

    Zunächst hatten insgesamt sechs österreichische Städte ihr Interesse an einer Austragung bekundet, die aber alle bis auf zwei Orte zurückzogen. So stiegen neben Graz auch Linz und Wels (Bewerbung im Doppelpack) sowie St. Pölten aus.

    Verhandlungsdiplomatie im dunklen Hinterzimmer statt Transparenz

    Mitte Juli kommt der Gemeinderat der Stadt Innsbruck zusammen, um über das weitere Verfahren und die Kosten der Bewerbung zu entscheiden. Ungewöhnlich: Das oberste kommunale Gremium tagt hinter verschlossenen und abgehängten Türen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Hintergrund: Ein Vertrag mit dem ORF, dem österreichischen ÖRR, der absolute Geheimhaltung vorsieht. Das geheimnisvolle Papier selbst wird den GR-Mitgliedern nicht vorgelegt.

    Am Ende beschließt der Gemeinderat nach kontroverser Diskussion mit 22 zu 18 Stimmen, im Rennen um die Austragung des ESC 2026 zu bleiben, und votiert gleichsam mit den Stimmen von Grünen, der SPÖ und der Liste Jetzt Innsbruck (JA) für ein 21-Millionen-Paket, das die Verwaltung unter Bürgermeister Johannes Anzengruber (JA) vorgelegt hatte. ÖVP, FPÖ, KPÖ, die nur in Tirol aktive Liste Fritz sowie die lokale Liste Ali lehnen das Projekt ab.

    Während über die allgemeine Stimmungslage in Wien im Grunde wenig bekannt ist, wächst in Tirol der Widerspruch. Zwar ist derzeit nicht zu erwarten, dass ähnlich wie im letzten Jahr in Basel ein Volksentscheid bemüht wird, um die Austragung des ESC zu kippen, die Unzufriedenheit ist dennoch groß.

    Dabei böte Innsbruck theoretisch eine wundersame Kulisse für den ESC, mitten in den Alpen gelegen und erfahren im Austragen von Großveranstaltungen, nicht zuletzt der Olympischen Winterspiele 1976.

    Aber: Die Tiroler Landeshauptstadt ist chronisch klamm und ätzt u.a. unter einem hohen Mietzinsniveau – an allen Ecken und Kanten muss gespart werden, auch im Sozialen. In einer solchen Situation kommen zusätzliche Ausgaben in Millionenhöhe sehr ungelegen. Die Stadt Graz ist aus ähnlichen Gründen ausgestiegen – rechnet man sich in Innsbruck hingegen den ESC schön?

    Während die drei Regierungsparteien frei dem beliebten Piefke-und Merkel-Motto „Wir schaffen das!“ agieren, sitzt bei der Opposition die Skepsis tiefer. Die Schweiz und somit auch Basel sind nicht allzu weit entfernt, die dort ständig steigenden Kosten konnte man quasi hautnah miterleben – den Protest gegen die Austragung des 2025er ESC auch…

    Am Inn hört man es dieser Tage öfters: Die Bundeshauptstadt biete doch die optimalen Voraussetzungen für eine erneute Austragung. Die Wiener Stadthalle sei optimal, die Technik auf dem neuesten Stand und die Erfahrung mit internationalen Großveranstaltungen vielfältig. Olympiade hin oder her: In der Tiroler Landeshauptstadt sei nicht nur die technische Ausstattung veraltert, sondern sogar die sanitären Anlagen der Olympiahalle unterirdisch. In mehrfacher Hinsicht. Mancheine/r fühlt sich da gar an den ominösen Klo-Blog des grünen Abgeordneten Gebi Mayr erinnert, der sich mit seiner überzogenen Kritik am Zustand der öffentlichen Toiletten in Innsbruck vor vielen Jahren – damals noch außerparlamentarisch –  einen kleinen Namen schuf. Mittlerweile ist auch er etabliert…

    Auch kulturelle Differenzen treten mehr und mehr ans Licht, sicher auch ausgelöst durch die antisemitischen Ausfälle des diesjährigen Siegers JJ, der sich eindeutig für einen ESC-Ausschluss Israels ausgesprochen hat. Dass die Zweitplatzierte beim ESC 2025, die Israelin Yuval Raphael, den Terror der islamistischen Hamas am 07. Oktober 2023 nur äußerst knapp und stundenlang unter Leichen „begraben“ überlebt hat, kümmert ihn dabei offensichtlich wenig.

    Wien oder Innsbruck – eigentlich keine Frage: Oder etwa doch?

    Als Erste forderte die Liste Fritz einen sofortigen Bewerbungsstopp. „Wenn Graz mit mehr als 29 Millionen Euro rechnet, ist es reines Wunschdenken zu glauben, Innsbruck könnte das Event um knapp zehn Millionen Euro günstiger abwickeln“, resümierte deren Abgeordnete Andrea Haselwanter-Schneider das Hin und Her um die Tiroler Bewerbung. Im Mittelpunkt ihrer Kritik stand von Anbeginn die Befürchtung, dass das Budget für den ESC viel zu niedrig angesetzt sein dürfte: „Großveranstaltungen sprengen regelmäßig die Budgets. Und am Ende zahlen die Steuerzahler drauf. Angesichts der angespannten Finanzlage in Innsbruck und fehlender Finanzierungszusagen von Land und Bund sowie massiven Zweifeln an der Kostenschätzung halten wir es deshalb für besser, die Bewerbung zurückzuziehen.“ Ähnlich sah es der Innsbrucker Gemeinderat der Liste, Tom Mayer: „Die Stadt hat dringlichere Aufgaben zu erfüllen als sich in Prestigeprojekte mit unkalkulierbarem Risiko zu stürzen. Jetzt ist Führung gefragt, nicht Realitätsverweigerung.“

    Mayer wie auch Haselwanter-Schneider kritisierten insbesondere die Geheimhaltungsvereinbarung mit dem ORF, die selbst die Gemeinderäte zwang, mögliches Wissen um die Bedingungen der ESC-Bewerbung für sich zu behalten: „Dass Bürgermeister Anzengruber der Öffentlichkeit wesentliche Informationen zu Chancen, Risiken und Kosten vorenthält, ist inakzeptabel. Wenn Millionen Steuergeld im Spiel sind, muss völlige Transparenz gelten. ORF-Knebelvertrag hin oder her.“

    Die Innsbrucker Gemeinderäte wurden auf einer früheren Sitzung zum Thema ESC „von der Präsidiale der Stadt vehement juristisch verpflichtet, die Geheimhaltungspflicht zu beachten“, wie das regionale Magazin „Mein Bezirk“ berichtete. Der Bürgermeister ließ sogar im Saal beim Eingang die Vorhänge abkleben, um dann allgemein ohne Zahlen und Fakten zu informieren“. </a>Erste Zahlen erfuhren die lokalen Politiker erst danach aus den Medien.

    Das Neue Innsbruck – die lokale Organisation der im Land Tirol wie auch auf Bundesebene regierenden ÖVP – schlug in eine ähnliche Richtung und sprach von einem Vertrauensbruch: „Der Bürgermeister hat die Situation bereits jetzt nicht im Griff. Dies ist ein schwerer Schlag für die Zusammenarbeit und wirft viele Fragen auf.“ Deren Abgeordnete Birgit Winkel fasste die Position der Partei klar zusammen: „Solange es keine volle Transparenz und ein tragfähiges Finanzkonzept gibt, wird es mit uns keine Zustimmung für eine solch riskante Bewerbung geben.“

    Noch fundamentaler fiel die Kritik der FPÖ aus: Bürgermeister Anzengruber treibe Innsbruck endgültig in den Ruin und glänze bisher nur mit Gebührenerhöhungen und weiteren Belastungen. „Innsbruck ist nun die teuerste Stadt Österreichs und die Bewohner wissen nic ht, wie sie die Betriebskosten und Mieten zahlen sollen. Hier werden unsere Antr äge, um dies zu bekämpfen, mit Verweis auf die budgetäre Lage abgelehnt, aber für den ESC werden keine Kosten und Mühen gescheut. Das ist blanker Hohn den Innsbruckern gegenüber“, so deren Sprecher Rudi Federspiel im Weiteren.

    Der Tiroler FPÖ-Vorsitzende Markus Abwerzger befürchtete gar ein „massives Sicherheitsproblem“: Österreich sollte „freiwillig auf die Durchführung verzichten“, forderte Abwerzger im APA-Interview. Durch Events wie den ESC bestehe die konkrete Gefahr, dass „anti-israelische Stimmung“, Antisemitismus und „linksextremistische Tendenzen“ gefördert werden.</a>

    Bei der KPÖ skizzierte deren Klub-Obfrau Pia Tomedi unter dem Header „ESC statt kostenloser Öffis“ ein weiteres Dilemma: “Während die Stadtregierung Pläne, die den Innsbruckern tatsächlich helfen würden, aus finanziellen Gründen einstampft, verpulvert sie Millionen für die Touristen-Attraktion Songcontest.”


    Die Kritik der lokalen Politiker teilen auch überregionale österreichische Medien. Beim „Kurier“ spricht man von einem „Knebelvertrag“. Der ORF versuche dabei, möglichst viele Kosten an die Städte abzuwälzen.

    In einem Gespräch mit dem Standard bestätigt dies der beim ORF für den ESC Verantwortliche indirekt: „Es ist klar, dass wir mit Gebührengeld sparsam umgehen werden, aber klar ist auch, dass wir eine großartige Show machen und tolle Gastgeber sein werden.“

    Derweil mischen sich auch die Kulturtreibenden in die tosende Debatte um einen möglichen ESC in Tirol ein. Prof. (FH) PD Dr. Agnes Bidmon von der FH Kufstein Tirol bringt einen weiteren Punkt ins Spiel und somit mindestens 21 Millionen für ein „besonders interessantes“ kulturwissenschaftliches Experiment: „Die wirtschaftspolitische Kontroverse wird jedoch noch flankiert von einer ge sellschaftspolitischen Debatte, und diese ist – wie der ein oder andere Wortbe itrag von Akteur:innen des politischen Diskurses in den vergangenen Wochen zeigt – zweifellos die emotionalste und hitzigste von allen. Schließlich stellt si ch gemeinsam mit der Frage, ob Innsbruck den ESC logistisch ausrichten könnte u nd finanziell ausrichten sollte, die Frage, ob Innsbruck den ESC ideell betracht et auch ausrichten will. In kulturwissenschaftlicher Hinsicht ist diese Debatte deshalb besonders interessant, weil die divergierenden Positionen eng mit dem je weiligen Kulturverständnis verknüpft sind, das die entsprechenden Akteur:innen für sich und die Region Tirol reklamieren.“

    Offener Ausgang trotz allem?

    Die Entscheidung für Wien oder Innsbruck scheint aktuell offen. Viele gute Gründe sprächen für die Bundeshauptstadt, ebenso viele aber auch für die Bewerber aus Tirol, wie Der Standard in einem lesenswerten Artikel vom 04. August festhält. Laut der linken Wiener Postille sehe man das auch so beim ORF:

    ORF-ESC-Executive-Producer Michael Krön sprach zuletzt im APA-Interview von einem „offenen Rennen“. Erst wenn die Host-City feststeht, geht es in die Detailplanung. „Es hängt natürlich viel davon ab, ob man von einer Alpenstadt im Kreuz von Nord-Süd-Ost-West erzählt oder von einer Metropole, einem Melting-Pot, mitten in Europa. Das sind unterschiedliche Storys“, so Krön, der aber in jedem Falle eines verspricht: „Wir werden das mit Sicherheit spektakulär machen.</a>


    Long story short:

    Die Entscheidung über den österreichischen Austragungsort fällt spätestens in der 2. Augusthälfte.

    Sollte es ganz arg kommen, hält Der Standard bereits eine Notlösung parat: Genau genommen muss laut den ESC-Statuten nicht einmal das Vorjahressiegerland den Bewerb ausrichten. Es kann lediglich…

    https://sendestoerung.wordpress.com/2025/08/05/eurovision-songcontest-2026-olymp ia-vs-stadthalle-esc-austragung-trotz-geheimhaltungspflicht-und-klammer-kassen/

Log in
30,645 Participants » Who is online

Fine music for political ears

What we predict...

Wahlfieber, originally a platform from the German-speaking world, offers (user-based) forecasts on elections worldwide - using political prediction markets without applying any algorythm.

Our focus

Germany / Austria / Switzerland
All national and state elections as well as selected local, mayoral and party elections

Europe
Almost all national elections as well as selected presidential, regional and local elections and votes.

USA
All presidential, senatorial and house elections (including mid-term and most presidential primaries/caucusses) as well as important special and state elections.

UK
All national and state elections as well as important special, local and mayoral elections and votes.

Worldwide
National elections - including Australia, Canada, Israel, Japan, New Zealand, etc.


Important elections in 2025

  • Several state elections in Germany, Austria, Switzerland and Liechtenstein
  • Presidential elections in Romania, Poland, Ireland, Portugal
  • National elections in Germany, Czech Republic, Netherlands, Norway - Argentina, Australia, Canada

How does this work?

This is how you contribute to the prediction - See the Infocenter

Found an error?
Your Feedback?

Please send error messages and feedback by email to: help@wahlfieber.com